Blendgutachten für Freiflächen-Photovoltaik-Anlagen

Photovoltaikausbau und Bedeutung der Blendwirkung
Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) 2023 gibt bis zum Jahr 2030 ein Ausbauziel von 215 Gigawatt (GW) für die Photovoltaik vor. Im Vergleich zum Ausbaustand Ende 2022 soll sich die installierte Leistung in den folgenden acht Jahren ungefähr verdreifachen [www.umweltbundesamt.de]. Bei der Planung von Freiflächen-Photovoltaik-Anlagen sind neben den Auswirkungen auf Natur, Umwelt und Landwirtschaft auch die potenziellen Lichtimmissionen bzw. Blendwirkungen zu berücksichtigen.

Licht als relevante Immission im Genehmigungsverfahren
Licht gehört zu den Emissionen bzw. Immissionen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG). Bei Photovoltaikanlagen können auf Grund der Reflexion der Sonneneinstrahlung Blendwirkungen an der Umgebungsbebauung oder auf Verkehrswegen auftreten. Bei der Errichtung insbesondere von Freiflächenphotovoltaik-Anlagen im näheren Umfeld zu Wohnnutzungen und Verkehrswegen kann im Rahmen des Genehmigungsverfahrens eine Begutachtung der möglichen Blendwirkungen erforderlich werden.

Beurteilungsmaßstab nach LAI-Hinweisen
Gemäß den LAI-Hinweisen zur Messung, Beurteilung und Minderung von Lichtimmissionen [Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI); Stand: 08.10.2012] liegt eine erhebliche Belästigung an der Umgebungsbebauung dann vor, wenn die Immissionsdauer am maßgeblichen Einwirkort über den Werten von 30 Minuten pro Tag bzw. 30 Stunden pro Jahr liegt.

Blickwinkel und sicherheitsrelevante Anforderungen an Verkehrswegen
An sicherheitsrelevanten Immissionsorten (Verkehrswege) muss jegliche Beeinträchtigung des Verkehrs durch Blendung vermieden werden. Störendes Licht aus Blickwinkeln > 30° liefert keinen merklichen Beitrag zur Blendung und kann außer Betracht bleiben. Störendes Licht aus Blickwinkeln > 10° und ≤ 30° kann u.U. eine moderate Blendung erzeugen, welche allerdings durch leichtes Zur-Seite-Schauen oder "Ausblenden" der störenden Lichtquelle vermieden werden kann. Kritisch sind Reflexionen welche direkt ins Blickfeld des Verkehrsteilnehmers fallen (Blickwinkel ≤ 10°).

Typische Einwirkzeiten und Lage der Immissionsorte
Die Blendwirkungen treten meist morgens oder abends bei einem flachen Einfallswinkel der Sonne auf das Modul auf. Die von der Reflexion einer Photovoltaikanlage betroffenen Immissionsorte befinden sich im Allgemeinen hauptsächlich westlich oder östlich einer Anlage in einem Abstand von weniger als 100 m, bei größeren Anlagen müssen jedoch auch Einwirkorte in größeren Entfernungen berücksichtigt werden.

Besonderheiten nachgeführter PV-Anlagen
Bei mitgeführten PV-Anlagen, welche in Abhängigkeit von der Uhrzeit sowie der Jahreszeit stets zur Sonne hin ausgerichtet werden, können Reflexionen auf die Umgebungsbebauung oder Verkehrswege für einen Großteil des Tages konstruktionsbedingt ausgeschlossen werden. Lediglich für die maximalen Neigungswinkel oder eine ggf. vorgesehene Harvesting-Position um z.B. eine Bewirtschaftung der Fläche zu ermöglichen, können mögliche Blendeinwirkungen nicht pauschal ausgeschlossen werden.

Berechnung der Blendwirkungen mittels 3D-Modell
Mithilfe eines dreidimensionalen Berechnungsmodells können die Blendwirkungen berechnet und ggf. erforderliche Maßnahmen ermittelt werden. Hierbei wird für jedes PV-Modul für jede Minute des Jahres geprüft, ob die Sonnenstrahlen am PV-Modul auf den Immissionspunkt reflektiert werden und es somit zu einer Blendwirkung kommen kann. Für die Berechnung werden entsprechend den LAI-Hinweisen eine punktförmige Sonne, ideal verspiegelte Module, 100 % Sonnenscheindauer und eine Differenz zwischen der Blickrichtung zur Sonne und auf das Modul >10° als Annahmen getroffen. Zudem wird das Reflexionsgesetz, gemäß welchem der Einfallswinkel dem Ausfallswinkel entspricht, berücksichtigt.

Kriterien zur Notwendigkeit von Blendschutzmaßnahmen
Es sind Blendschutzmaßnahmen zu treffen, wenn entweder an der Umgebungsbebauung die in der LAI genannten Immissionsdauern von 30 Minuten pro Tag bzw. 30 Stunden pro Jahr überschritten werden, oder wenn an Verkehrswegen Blendungen mit Winkeln von weniger als 30° zur Fahrtrichtung und somit zur Blickrichtung des Fahrzeugführers auftreten.

Mögliche Maßnahmen zur Blendvermeidung
Als Blendschutzmaßnahmen können grundsätzlich Maßnahmen, welche den Sichtkontakt zwischen den betroffenen PV-Modulen und den Immissionsorten oder auch die kritische Sonneneinstrahlung auf die PV-Module unterbricht, wie zum Beispiel Sichtschutzzäune, vorgesehen werden. In manchen Fällen können auch Änderungen des Neigungswinkels sowie der Ausrichtung der PV-Module die Blendeinwirkungen reduzieren. Wenn nur wenige Module zu Blendungen führen, kann auch ein Weglassen dieser Module als Blendschutzmaßnahme in Frage kommen.

Absolutblendung trotz Antireflexionsbeschichtung möglich
Auf Grund der hohen Leuchtdichte der Sonne (bis zu 1,6·10⁹ cd/m²) kommt es bereits dann zu einer Absolutblendung, wenn durch ein Photovoltaikmodul auch nur ein geringer Bruchteil (< 1 %) des einfallenden Sonnenlichts zum Immissionsort hin reflektiert wird. Deshalb führen auch Module mit einer Antireflexionsbeschichtung noch zu einer Absolutblendung.

Autor

Laura Brethauer
Dipl.-Ing. Umweltschutztechnik | Immissionsschutz
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